Analogika

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                  Analogika [griech.] "Entsprechungen"
   
  Die Himmelsscheibe von Nebra - Im Kontext mit anderen archäologischen Funden  

Darüber hinaus...

Die hier dargestellte Interpretation der Himmelsscheibe von Nebra traut den europäischen Menschen der Bronzezeit ein Denkvermögen und eine Auffassungsgabe zu, die weit über die üblichen wissenschaftlichen Vorstellungen darüber hinausgeht. Somit stellt sich die Frage, ob meine Interpretation zu weit geht, oder ob die bisherigen Vorstellungen zu kurz greifen.

Der "Sonnenwagen von Trundholm"

Der sogen. "Sonnenwagen von Trundholm", Bronze, mit Goldblechauflage auf der rechten Seite der Scheibe, mit konzentrisch angeordneten Kreismustern; ca. 14. Jh. v. Chr. (vergl. hier ).

Um zu zeigen, daß die bisherigen Vorstellungen zu kurz greifen, möchte ich eine anerkannte wissenschaftliche Vorstellung etwas ausführlicher wiedergeben, und zwar über den sogen. "Sonnenwagen von Trundholm" - dies liegt nahe, weil dieser in der laufenden Ausstellung der Himmelsscheibe von Nebra in Halle direkt neben der Himmelsscheibe präsentiert wird:

«Bei genauer Betrachtung der Sonne auf dem Wagen von Trundholm stellt man fest, dass Vorder- und Rückseite unterschiedlich gestaltet sind. Eine Seite ist mit Goldblech überzogen, und vom Rand des Goldbleches führen kurze, radiale Strahlen nach außen. Die andere Seite weist keinen Goldblechüberzug auf, die radialen Strahlen fehlen.

Wenn die goldüberzogene, mit Strahlen versehene Seite sichtbar ist, blickt das Pferd nach rechts, bewegt sich also scheinbar in derselben Richtung wie die Sonne. Tatsächlich nimmt man nämlich den Tageslauf der Sonne von Ost nach West als eine Bewegung von links nach rechts wahr.

Verschwand die Sonne bei Sonnenuntergang am Horizont, musste sie sich in der Vorstellungswelt der Bronzezeit nach links durch die Dunkelheit der Unterwelt bewegen, um ihren morgendlichen Ausgangspunkt wieder zu erreichen. Diese nächtliche Reise unternahm die Sonne in erloschenem, nicht strahlendem Zustand.

Das Sonnenpferd und die Sonne von Trundholm geben somit eine kosmologische Vorstellung der Bronzezeit um 1400 v. Chr. wieder. Dieselbe Idee finden wir auf Felsbildern und Rasiermessern mit Gravuren von der Sonne und einem Pferd, die durch eine Linie miteinander verbunden sind. Diese Bilder drücken den Glauben daran aus, dass die Sonne von einem göttlichen Pferd über den strahlenden Tageshimmel nach rechts und durch die unheimliche Unterwelt in der Nacht nach links gezogen wurde.» (Flemming Kraul, in: DGH, S. 56.)

Diese in der Wissenschaft allgemein anerkannte Einschätzung degradiert in meinen Augen die Auffassungsgabe der europäischen Menschen der Bronzezeit auf Sandkastenniveau. Sie ist - nach meiner Auffassung - ganz sicher falsch, und ich vermag das durchaus zu begründen:

Nur wenn eine Abbildung von zum Beispiel einem Pferd irgendwo allein abgebildet ist, oder im Zusammenhang mit etwas offenkundig Dazugehörigem (wie etwa Pferd und Reiter), nur dann könnte man mit einiger Berechtigung annehmen, daß es das Dargestellte in Natura bedeuten könnte (also etwa "Pferd" oder "Pferd mit Reiter" bedeutete). Wenn aber eine solche Abbildung mit etwas völlig anderem in Verbindung steht, wie zum Beispiel ein Pferd mit der Sonne, dann bedeutet beides mit größter Wahrscheinlichkeit etwas anderes, und zwar etwas völlig anderes, etwas, das in einer anderen logischen Ebene liegt.

Ich möchte ein Beispiel geben, doch ich betone, daß ich aus dem Inhalt dieses Beispiels keine Lehre machen will, obwohl es nicht aus der Luft gegriffen ist. Es soll hier nur einen Hinweis geben, was ich mit "anderer logischen Ebene" meine:

Im Falle des sogen. "Sonnenwagens von Trundholm" wäre es etwa möglich, daß die Scheibe nicht die "Sonne", sondern das "Sonnensystem" bedeutet, dessen (Teil-) Vorgänge auf integrierte Weise auf ihr selbst dargestellt sind. Das Perd könnte "plötzliche wechselhafte Bewegung" oder "Wechselhaftigkeit" (Pferde sind für ihre Schreckhaftigkeit bekannt) bedeuten, und der Wagen bzw. die Wagenräder "langfristig gleichförmige Bewegung".

Damit wären alle Besonderheiten erfaßt, die man bei der Beobachtung der Vorgänge im Sonnensystem auch tatsächlich wahrnimmt: Die Planeten scheinen sich mal langsam in diese Richtung, mal schnell in die andere zu bewegen; die intellektuelle Erklärung dafür ist auf der "Sonnenscheibe" dargestellt. Langfristig sind diese Vorgänge aber gleichförmig und vorhersehbar. Die Bedeutung des Gesamtobjekts wäre also: "Vorgänge im Sonnensystem".

Die Intelligenz des homo sapiens

Meiner Einschätzung nach sind die Überlegungen des Beispiels vielleicht falsch. Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Vorstellung, die ganz sicher falsch ist, traut sie allerdings den europäischen homo sapiens der Bronzezeit Intelligenz zu. Das Wort "Intelligenz" kommt von lat. in tel legere "in jenem lesen", das heißt in dem, was man direkt wahrnehmen kann, etwas anderes, darüber Hinausgehendes, erkennen zu können.

Diese Fähigkeit ist zum Beispiel erforderlich, damit Sie diese Zeilen überhaupt entziffern können. Nur dadurch, daß Sie von der Selbst-Bedeutung der einzelnen Symbole (=Buchstaben) absehen, und den darüber hinausgehenden Sinn der Symbol-Verknüpfungen (=Wörter) erkennen, der in einer andern logischen Ebene liegt, nur dadurch können Sie mir überhaupt (hoffentlich;) folgen...

Wenn wir nun bedenken, daß in der fraglichen europäischen Bronzezeit ein Verknüpfungs-System (das wir "Schrift" nennen) mit derart reduzierten Symbolen (=unsere Buchstaben, die für sich alleine eigentlich gar nichts mehr bedeuten) nicht vorhanden war, so müssen wir annehmen, daß auch ihr Symbolverständnis ein völlig anderes war.

Nur aus unserer Sicht drängt sich die Gestalt bildlicher Darstellungen (wie bronzenes Pferd = "Pferd") unreduziert in den Vordergrund, eben weil wir unsere üblichen Symbole bereits bis zur völligen Unkenntlichkeit reduziert haben, genauer: weil wir anderes gewohnt sind. Bei uns gilt ein bronzenes Pferd als konkret, und nur die Verknüpfung von bis zur Unkenntlichkeit reduzierten Symbolen, wie etwa die der Buchstaben "P", "f", "e", "r" und "d", fassen wir als abstrakt auf.

Für einen Menschen der Bronzezeit dürfte aber bereits ein bronzenes Pferd hochgradig "abstrakt" gewesen sein, das mit seiner - aus seiner Sicht - wahrnehmbaren Wirklichkeit eines Pferdes nur wenig zu tun hatte, insbesondere, wenn eine solche für ihn sehr abstrakte Darstellung mit einer anderen sehr abstrakten Darstellung (der bronzen/goldenen Sonnenscheibe) in Verbindung stand. Diese Verknüpfung abstrakter Zeichen deutete also auf etwas völlig anderes hin, ganz ähnlich, wie unsere Buchstaben-Verknüpfungen als Wörter etwas völlig anderes bedeuten.

Es sind logische Gründe, also Gründe, die sich auf die Art und Weise des menschlichen Verstehens beziehen, die mich zu der sicheren Aussage veranlassen, daß die wissenschaftliche Einschätzung, hier sei die Vorstellung repräsentiert, eine Art Pegasus zöge eine tags leuchtende, nachts dunkle Scheibe über den Himmel, zu kurz greift. Diese Interpretation sagt zwar sehr viel über ihre Urheber und Befürworter aus, jedoch wenig bis nichts über die europäische Bronzezeit.

Selbstähnlichkeit und Systemdenken

Dennoch könnte es aber sein, daß meine Interpretation der Himmelsscheibe von Nebra zu weit geht. Insbesondere die Überlegung, daß hier unter anderem eine die Sonne umrundende, kugelförmige Erde dargestellt sein sollte, dürfte vielen Menschen nicht glaubwürdig erscheinen.

Mir scheint aber, daß es für ein wie auch immer geartetes geozentrisches Weltbild in der europäischen Bronzezeit keine wirklichen Belege, ja nicht einmal Indizien gibt, sondern daß hier reine Vorurteile aufgrund banalster Analogieschlüsse vorherrschen. Dagegen gibt es aber - so meine ich - durchaus Hinweise darauf, daß man eine zentrale Sonne annahm, die von Erde und Planeten umrundet wurde.

Ein der ganzen Scheibe selbst ähnliches Symbol auf dem sogen. "Sonnenwagen von Trundholm".

So ist zum Beispiel auf der Scheibe des "Sonnenwagens von Trundholm" im Zentrum eine, allgemein als Sonnensymbol identifizierte Prägung zu sehen, die von weiteren Prägungen, die der zentralen gleichen, in konzentrischen, kreisförmigen Anordnungen umgeben ist. Diese einzelnen Symbole sind der gesamten Scheibe selbst ähnlich. Es handelt sich insgesamt um eine "selbstähnliche" Darstellung: das Kleine wie das Große ist strukturell gleich gestaltet.

Wie wäre es, diese Prägungen nicht als Symbole für die Sonne, sondern, entsprechend ihrer Ähnlichkeit zur ganzen Scheibe, als System-Symbole, etwa als Symbole für das Sonnensystem zu begreifen. Eine einzelne Prägung würde dann "Element des Sonnensystems" bedeuten. Das zentrale "Element des Sonnensystems", also die Sonne, würde hier von anderen "System-Elementen", wie Erde und Planeten, die im Prinzip (etwa mit einem Mond) genauso "funktionieren" wie das gesamte System, und deshalb diesem ähnlich gestaltet sind, umrundet.

Dieses Thema - konzentrische Anordnungen von Sonnen(system)Symbolen um ein zentrales Symbol - findet sich aus der europäischen Bronzezeit recht häufig, insbesondere auf wertvollen Goldobjekten. So zum Beispiel auf der sogen. "Sonnenscheibe von Glüsing", auf den Gefäßen des "Eberswalder Goldschatzes", sowie auf dem sogen. "Berliner Goldhut"; alle drei Objekte lassen sich im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin bewundern.

Der "Berliner Goldhut"

Besonders interessant ist der "Berliner Goldhut". Auf seiner Spitze befindet sich ein achtstrahliges Sternmuster vor gepunktetem Hintergrund, das auf dem Schaft in mehreren Zonen hauptsächlich von Sonnen(system)Symbolen kreisförmig umgeben ist.

Die Spitze des sogen. "Berliner Goldhuts"

In umfangreichen Untersuchungen konnte Wilfried Menghin, der Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, zeigen, daß in Art und Anzahl der in Zonen angeordneten Symbole auf dem "Berliner Goldhut", sowie ähnlich auch auf den goldenen Kegelhüten aus Ezelsdorf-Buch, Schifferstadt und Avanton, astronomische Zeitintervalle codiert sind. Es handelt sich um die tatsächliche Dauer in Tagen der Umläufe von Erde um die Sonne, von Mond um die Erde, sowie deren ungefähre Synchronisation alle 19 Jahre im sogen. "Metonischen Zyklus" (vergl. Menghin: BG, GK). Auch wenn die genaue Handhabung z.B. als lunisolarer Kalender wohl unbekannt bleiben wird, so sind hier ganz offenbar astronomische Einsichten enthalten, die in der Folgezeit wieder verloren gegangen sein müssen.

Was liegt näher, als das sternförmige Symbol auf der Spitze des Goldhuts als zentrale, "strahlende Sonne" zu verstehen? - Die Erde ist es jedenfalls nicht. Und was liegt näher, als die kreisförmige Anordnung der übrigen (System-)Symbole als die Umrundung der zentralen Sonne durch das Untersystem Erde-Mond zu begreifen, zumal in diesen kreisförmigen Anordnungen ja eben die tatsächlichen Zeitspannen für deren Umlauf um die Sonne codiert sind?

Somit gibt es nach meiner Ansicht überaus ernstzunehmende Hinweise auf eine Art heliozentrisches Weltbild in der europäischen Bronzezeit. Der vorherrschende Gedanke scheint mir aber die Selbstähnlichkeit und das Systemdenken zu sein, nicht jedoch die zentrale Stellung der Sonne, weshalb ich auch von "einer Art" heliozentrischem Weltbild spreche. Die Himmelsscheibe von Nebra fügt sich ohne weiteres in diesen Kontext.

Die "Himmelsscheibe von Nebra"

Der Vollkreis auf der Himmelsscheibe von Nebra ist von 9 Goldpunkten kreisförmig umgeben.

Auch die Darstellungen auf der Himmelsscheibe von Nebra sind in hohem Maße "selbstähnlich". Der Kreis ist das vorherrschende Motiv, das in allen Gestaltungselementen unabhängig von deren genauen Größe und Form enthalten ist. Eine kreisförmige Anordnung von Symbolen um ein ähnliches zentrales, das leicht versetzt in deren Mitte steht, findet sich übrigens gleich mehrfach auf der Scheibe, am offensichtlichsten bei den Plejaden, doch auch der Vollkreis wird auf diese Weise kreisförmig von 9 Goldpunkten umgeben.

Der Skeptiker: Somit könnte der Vollkreis als "System-Symbol" also auch die Sonne darstellen, die hier von der Erde umrundet wird, nicht wahr?! Somit wird es völlig beliebig, was hier wie interpretiert wird...

Antwort: Es ist weder beliebig, noch völlig festgelegt. Statt dessen entscheidet der jeweilige Blickwinkel oder die Perspektive über die Bedeutung der einzelnen Objekte.

Vielleicht hilft hier ein Vergleich mit unserer Sprache: Einzelne Begriffe können bekanntlich verschiedene Haupt- und Nebenbedeutungen tragen, und ein und dieselbe Bedeutung kann durch unterschiedliche Begriffe ausgedrückt werden. Selbst wenn ein bestimmter Begriff noch so scharf definiert ist, so wird er dennoch stets durch die umgebenen Wörter im Satz (die gewissermaßen den "Blickwinkel" angeben) entsprechend "eingefärbt". Und auch eine noch so spezielle Bedeutung kann man stets durch unterschiedliche Ausdrücke umschreiben. Trotz dieser "Unschärfe" (oder gerade deswegen?!) können wir uns recht gut mit Hilfe der Sprache verständigen.

Die Himmelsscheibe von Nebra enthält mehrere verschiedene, sich "überlappende" Perspektiven und Standpunkte. So ist - nach meiner Interpretation - die Erde mindestens durch vier verschiedene Objekte repräsentiert: Durch die Scheibe als Ganzes, den Vollkreis, den Innenkreis der Sichel, sowie dem Umkreis des strukturierten, unteren Bogens (man mache sich im übrigen klar, daß sich die unterschiedlichen, mit dem jeweiligen Blickwinkel verbundenen Informationen sich gar nicht durch ein einziges Objekt angemessen wiedergeben ließen).

Andererseits hat jedes dieser Objekte durchaus verschiedene Bedeutungen. Die Hauptbedeutung des Vollkreises ist nach meiner Interpretation: "die Erde", "ein Planet". In diversen "Anspielungen" ist aber durchaus angedeutet, daß der Planet Erde genauso "funktioniert" wie die übrigen Objekte des Sonnensystems.

Nach meiner Interpretation bezeugt die Himmelsscheibe von Nebra somit mindestens folgende Einsichten: 1. daß die Eigendrehung des Planeten Erde den täglichen Sonnengang, sowie 2. daß die Umrundung der zentralen Sonne auf einer zur Eigendrehung der Erde geneigten Bahn den jährlichen Sonnengang verursacht.

Die Verstandesleistung übrigens, um zu einer solchen "relativen" Sicht der kosmischen Bewegungen zu gelangen, ist nicht übermäßig groß: ein Mensch, der in einem schwankenden Kahn sitzt, glaubt ja auch nicht, daß die Bäume am Strand plötzlich auf und ab hüpfen. Warum sollte eine Kultur, die jahrtausendelang den Himmel beobachtet hat, wie etliche Kreisgrabenanlagen bezeugen, nicht irgendwann auf diesen "Relativitäts"-Gedanken gekommen sein?

Die Dialektik des Fortschritts

Der Skeptiker: Nun, diese Menschen kannten ja noch keine Schrift. Erst durch die Schrift dürfte es möglich geworden sein, früheres Wissen systematisch nutzbar zu machen.

Antwort: Gerade weil diese Menschen noch keine Schrift kannten, dürfte die mündliche Überlieferung tägliche Praxis gewesen sein, und es ist gewiß richtig anzunehmen, daß die damaligen Menschen über exzellente Techniken der Erinnerung und des Merkens verfügten: Es ist bekannt, daß der homo sapiens dazu fähig ist, und es ist gleichfalls bekannt, daß solche Fähigkeiten durch Übung gefördert werden (sowie ohne Übung verkümmern).

Auch verlief die menschliche Entwicklung keineswegs linear, von der dumpfen Unwissenheit und mythischen Leichtgläubigkeit, über Aufklärung und Säkularisation, bis hin zur informierten "Wissensgesellschaft", sondern weist selbst in dem kurzen Zeitraum, den wir geschichtlich halbwegs überblicken können, enorme Sprünge und Rückschritte auf. Zudem ist jeder Fortschritt von einem entsprechenden Verlust begleitet (sogen. "Dialektik des Fortschritts"). So hat seit der Verbreitung von Taschenrechnern und Registrierkassen die Übung und die allgemeinen Fähigkeiten zum Kopfrechnen erheblich gelitten, um ein banales Beispiel zu nennen.

Die Erfindung der Schrift wird allgemein als eine der größten Errungenschaften der Menschheit angesehen. Dieser grandiose Fortschritt ermöglichte den Menschen, Gedanken auf eine sehr bestimmte Weise abstrakt festzuhalten. Doch von was sind die damaligen Menschen "fort" geschritten? Was haben sie aufgegeben, welche Übung, welche Fähigkeiten haben sie verloren?

In einem ganz anderen, recht bekannten Zusammenhang sagte Häuptling Seattle, in seiner berühmten Ansprache von 1853: "Eure Religion ist auf Papier geschrieben, unsere Religion ist in den Herzen des Volkes niedergeschrieben. Ihr müsst immer wieder in eurem Buch lesen um euch eurer Religion zu erinnern, bei uns ist sie Bestandteil des Bewusstseins." (zitiert nach H.J. Stammel: "Indianer". Orbis Verlag 1997).

Die Authentizität dieser Rede ist durchaus umstritten, und auch die hier wiedergegebene Übersetzung ist nicht unproblematisch. Zudem gehört der hier angesprochene Bezug zur Religion nicht zu unserem Thema. Dennoch schien mir dieser Absatz geeignet, ein Verständnis dafür zu erzeugen, daß im Zuge des Fortschritts durch die Erfindung der Schrift durchaus Fähigkeiten verloren gegangen sein könnten, die mit Wahrnehmung, Bewußtsein und Denken zu tun haben.

Vielleicht eben jenes "integrierte" Denken, von dem uns die Himmelsscheibe von Nebra, gemeinsam mit etlichen, anderen Objekte aus der europäischen Bronzezeit, nun ein Zeugnis liefert?! - ein Denken, dem wir uns vielleicht im Zuge von Chaostheorie, Fuzzy Logic, Selbstähnlichkeit, Difference, Quantendynamik, Fraktale, Ganzheitlichkeit, Spieltheorie, Reflexivität, Systemtheorie, Nachhaltigkeit usw. auf einem ganz anderen Wege, und unter ganz anderen Umständen, allmählich wieder annähern...

FIN.

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© Harald Gränzer 2005.