Analogika

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                  Analogika [griech.] "Entsprechungen"
   
  Die Himmelsscheibe von Nebra - Mondtermine  

Mondtermine

Der 10. März und der 17. Oktober

Die Arbeitshypothese von Meller/Schlosser bezüglich des goldenen Vollkreises und der Sichel lautet, daß diese im Zusammenhang mit den Plejaden Beginn und Ende des bäuerlichen Jahres recht genau darstellten, und zwar den 10. März und den 17. Oktober. Wir wollen diese Termine-These hier auf ihre inhaltliche Plausibilität hin untersuchen. Hören wir dazu zunächst Meller und Schlosser selbst:

«Dank der astronomischen Untersuchungen Wolfhard Schlossers verfügen wir bezüglich der dargestellten Himmelsphänomene über eine einfache und plausible Arbeitshypothese. [...] Sichelmond und Vollmond mit Plejaden stehen jeweils für zwei Daten der Plejadensichtbarkeit am westlichen Himmel, den 10. März und den 17. Oktober.» (Meller, in: DGH, S. 27)

«Innerhalb von nur zwei bis drei Tagen wurden die Plejaden in der Dämmerungshelligkeit unsichtbar. Diese Situation trat - nach heutigem Kalender - um den 10. März und 17. Oktober ein. Besagte Termine zeigen den Beginn und das Ende des bäuerlichen Jahres an. Es steht außer Zweifel, dass für den bronzezeitlichen Bauern und seine geistigen Führer diese Eckdaten von besonderer Bedeutung waren, da ihr Leben vom Gedeihen der Pflanzen und Tiere abhing. Weiterhin ist der März-Termin dadurch gekennzeichnet, daß der junge Mond - wenngleich nicht in jedem Jahr - in Plejadennähe am westlichen Abendhimmel sichtbar werden kann. Entsprechend wird der Oktobertermin durch einen (ungefähren) Vollmond bei den Plejaden definiert. So fügen sich auch die beiden Großobjekte der Himmelsscheibe zwanglos in die hier vorgestellte Arbeitshypothese ein.» (Schlosser, ebenda, S. 46f.)

Ein plausibel-klingendes Mißverständnis...

In der Öffentlichkeit wurden diese Darstellungen von Meller und Schlosser weitgehend so mißverstanden, daß die Konjunktionen (also die Nebeneinander-Stellung) der jeweiligen Mondphase mit den Plejaden die besagten Termine exakt darstellten (statt richtig: allein die Plejaden, bzw. deren letzt- bzw. erstmaligen Untergänge). Hier nur zwei Beispiele:

«Astronom Schlosser hat berechnet, daß die Plejaden in der Bronzezeit den 10. März markierten, und zwar dann, wenn sie sich am Westhimmel kurz vor ihrem Verschwinden mit dem Sichelmond zeigten; waren sie gemeinsam mit dem Vollmond zu sehen, dann markierten sie den 17. Oktober.» (Die Zeit, 43/2004)

«Die Sichel des zunehmenden Monds stellt zusammen mit den Plejaden die astronomische Situation zu Beginn des bäuerlichen Jahres dar, wenn beide Gestirne dicht benachbart über dem Westhorizont stehen. Am Ende des bäuerlichen Jahres, Mitte Oktober, sind die Plejaden frühmorgens zusammen mit dem Vollmond über dem Westhorizont anzutreffen.» (Spektrum der Wissenschaft, 11/2004)

Diese Darstellung in den Medien hätte, wenn sie zutreffend wäre, tatsächlich einen gewissen Anflug von Plausibilität. Es handelt sich jedoch um ein Mißverständnis. Nur Fixsterne wie die Plejaden können klar bestimmbare Jahrestermine markieren (wie Schlosser und Meller - wenn man genau liest - durchaus korrekt, aber mißverständlich darlegen), nicht jedoch ihre Konjunktion mit einer bestimmten Mondphase. Die Konjunktionen des Mondes mit den Plejaden verschieben sich von Jahr zu Jahr um ca. 11 Tage, und der Grund hierfür ist der gleiche, weshalb Ostern bei uns jedes Jahr auf ein anderes Datum fällt: eben weil sich Sonnen- und Mondjahr erheblich unterscheiden (die ca. 365 Tage des tropischen Jahres sind nicht glatt durch die 29,5 Tage des synodischen Monats teilbar - es bleibt ein Rest von ca. 11 Tagen).

... und die nicht-plausible, richtige Fassung

Nach Meller/Schlosser aber sind auf der Scheibe keineswegs veritable Mond-Plejaden-Konjunktion dargestellt, sondern Sichel und Vollkreis geben gewissermaßen nur die Himmelsrichtung und die Nachtzeit an, wann und wo man auf den letzt- bzw. erstmaligen Untergang der Plejaden zu achten hätte. Man muß hier sehr genau lesen. Schlosser erklärt:

«Um den 10. März heutigen Kalenders waren die Plejaden in der frühen Bronzezeit vom Mittelberg aus in der Abendröte zum letzten Mal sichtbar, bevor sie von der Sonne verschluckt wurden. Diese Himmelsposition wird vom jungen Mond kurz nach Neumond eingenommen.» (Schlosser, in: DGH, S. 47, in den Erläuterungen zu einer bildlichen Darstellung)

Die Goldsichel (als der junge, zunehmende Mond) soll also ausschließlich (!) eine generelle Himmelsposition bezeichnen, nämlich jene, wo er eben natürlicherweise zu sehen ist: abends im Westen, kurz nach Sonnenuntergang, und kurz bevor er selbst untergeht.

In dieser Himmelsposition nun - unabhängig von der jeweils aktuellen Mondphase, d.h. auch dann, wenn gerade zufällig Vollmond war - kann man die Plejaden einmal jährlich bei ihren letztmaligen Untergang beobachten. Vor 3600 Jahren fand dieser Vorgang je um den 10. März statt. Doch nur in manchen Jahren - selten genug - gingen die Plejaden dabei gemeinsam mit der zunehmenden Mondsichel unter - und nicht jedesmal, wie es allgemein mißverstanden wurde. Ebenso häufig kam und kommt es vor, daß um den 10. März eben Vollmond ist, oder abnehmender Mond oder Neumond...

«Entsprechend ist der westliche Morgenhimmel die Domäne des Vollmondes, wo die Plejaden um den 17. Oktober erstmalig untergingen.» (Schlosser, ebenda)

Auch der Vollkreis (als der Vollmond) soll nichts weiter als eine generelle Himmelsposition (bzw. "Domäne") markieren, und zwar: morgens im Westen. Es stimmt zwar (ungefähr), daß der Mond im fraglichen "westlichen Morgenhimmel" nur in seiner vollen Erscheinung auftritt, während alle anderen Mondphasen dort kurz vor Sonnenaufgang nicht zu sehen sind, und es insofern seine "Domäne" ist.

Doch der Vollmond scheint bekanntlich die ganze Nacht, geht im östlichen Abendhimmel auf, steht um Mitternacht im Süden, bevor er schließlich frühmorgens im Westen untergeht. Wie also der goldene Vollkreis der Himmelsscheibe als Vollmond eine bestimmte Himmelsrichtung und Nachtzeit bezeichnen könnte, in der die Plejaden in irgendeiner «Grenzsichtbarkeit» (Schlosser, ebenda) zu beobachten seien, ist schon sehr fragwürdig - zudem eine solche "Grenzsichtbarkeit" beim erstmaligen Untergang der Plejaden am 17. Oktober ausgerechnet bei Vollmond (!) wegen dessen überstrahlender Helligkeit nur zu erahnen, kaum aber zu sehen gewesen sein dürfte...

Kurz: Der Mond hat mit festen Terminen des Sonnenjahres nichts zu tun. Auch am 10. März kommt jede beliebige Mondphase vor, zum Beispiel Vollmond, und nach einem solchen Ereignis ist 221 Tage (entsprechend ca. 7,5 Mondzyklen) später, also am 17. Oktober, Neumond. Wie wäre diese Konstellation unter der Arbeitshypothese von Meller/Schlosser mit dem Bildinventar der Himmelsscheibe plausibel zu vereinbaren? - Gar nicht.

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© Harald Gränzer 2005.